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Was war das nun für eine Gesellschaft, die sich um Philipp Sömmering gebildet und die es sich am Hof in Wolfenbüttel so gemütlich eingerichtet hatte? Die erhaltenen Prozessakten, die am Ende der Vorfälle bei der Gerichtsverhandlung im Jahre 1574 angefertigt wurden, geben detailliert Auskunft über die einzelnen Personen und ihre Vergehen. Dabei öffnet sich ein Abgrund von Schandtaten. Selbst wenn berücksichtigt wird, dass die ,,Geständnisse" auf der Folterbank erzwungen wurden, bleiben erstaunliche Tatbestände übrig. Da ist von ständigem Betrug, schlimmster Untreue, bedenkenlosem Mord und einem unglaublichen Mordversuch die Rede.
Die handelnden Personen sind Menschen mit abenteuerlichen Lebensgeschichten. Sie sind getreuliche Abbilder der unruhigen Zeiten, die damals im Reich herrschten. An der Spitze steht der schon genannte Philipp Sömmering, der sich selbst ,,Therocyclus" nannte. Er war ein Pfarrerssohn, stammte aus Tambach und besuchte die Lateinschule in Schmalkalden. Auf der Klosterschule in Erfurt bereitete er sich auf das geistliche Amt vor. Aber auch hier kommt schon seine abenteuerlustige Ader zum Vorschein. Nach Abschluss seiner Studien geht er auf Wanderschaft und treibt sich, nach eigenen Angabe, wohl 200 Meilen im Reich herum. Irgendwann landet er dann in Jena, wird Lehrer und Kaplan und 1554 von keinem Geringeren als Philipp Melanchthon ordiniert.
Eine bürgerliche Laufbahn schien vorgezeichnet zu sein. Doch dann kam er mit der Alchemie in Berührung, die sein Leben veränderte und wohl auch zu seinem Untergang führte. Schon in Erfurt hatte er sich alchemistischen Nebenstudien hingegeben. Bald schon wurde dieser anfängliche Zeitvertreib zur Leidenschaft. Von einem Bildschnitzer namens Jakob Hopf bekam er die ersten Unterweisungen. In der Erfurter Apotheke erlernte er die Arten der Pflanzen und ihre verborgenen Kräfte und Wirkungen kennen. Er sublimierte und destillierte und übte die Handgriffe und notwendigen Fertigkeiten. Bald schon kam er aber zu der Überzeugung, dass er alles auf eine wissenschaftliche Basis stellen müsse. Für 400 Taler, eine gewaltige Summe, kaufte er ein Kunstbuch des Alchemisten Bernard von Trevisa und nahm Kontakt mit seinem Amtsbruder Abel Scherding auf, der sich auf dem Gebiet der Alchemie bereits einen gewissen Namen gemacht hatte.
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