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Die Harzburger Schlittenfahrt.  

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Eine Reise von vier kleinen Schlewecker Schuljungen. 

 An der Wand in der Schmiede, wo alles was den Geist aufgegeben hat repariert, wieder zurecht geschmiedet wird, wo Pferdehufe gesäubert und beschlagen werden, das Schmiedefeuer immer heimlich blinkt und wenn es gebraucht wird mit einem Blasebalg zur Vollglut gebracht wird, wo draußen an der Straße handbetriebene Kraftstoffsäulen auf Kraftfahrzeuge warten, da hängt an zwei Haken ein Lenker. Ein viersitziger lenkbarer eiserner Schlitten. Zwei dünne handbreite Bretter, vorn zur Spitze etwas hochgezogen mit halbrunden, eisernen Kufen beschlagen deren vorderes Drittel mit einem hölzernen Rad und entsprechenden Hebeln gemeinsam nach beiden Seiten gespreizt, gelenkt werden können. Aus sieben oder acht polierten Holzlatten der lange Schlittensitz. So ein Prachtstück hängt an der Wand in der Schmiede. Selbst im Winter wenn wir den Herbrink, die steile Straße die nach Süden aus Schlewecke zum Friedhof, zu den Mauern der Koppeln, zu den Bergen führt, mit unseren Schlitten herunter karjohlen, bleibt er dort an der Wand hängen. Es scheint er ist vergessen. Doch als ich den Juniorschmied, einen Burschen der vor lauter Kraft seine Füße immer bedächtig voreinander stellt, wenn's aber darauf ankommt flink wie ein Wiesel reagiert, dem Schlag der ihn treffen sollte elegant ausweicht, er mit seiner Faust die Nase des Gegenüber breit klopft, der ohne sichtbare Anstrengung den Amboss samt dem Holzklotz der ihn trägt, anheben und verrücken kann, danach frage, schaut er mich groß an und schüttelt den Kopf: "Da bist du noch zu klein für", sagt's  so als hätte er mit seiner Handfläche eine Fliege zerschlagen. Das hat er nicht, dafür einen meiner Träume!
Nicht weit von der Schiede wirtschaftet ein Kohlenhändler. Der hat auch Pferde die in der Schmiede beschlagen werden. Er hat nicht nur seine Pferde sondern auch einen Enkel, den Hermann. Der Hermann ist ein gutes Jahr älter als ich, geht in der Schmiede ein und aus und seit dem Herbst  auch in meine Klasse. Hermann ist auch so einer der die Furcht nicht kennt. Er macht Dönekes und baut Scheißmist am laufenden Band. Er fürchtet höchstens den Peitschenstrang seines Großvaters. Wenn der einmal in der Schule auftaucht, die Peitsche über den sich duckenden Hermann knallen lässt, dann sind für ein paar Tage die Arbeiten seiner Schularbeiten, besser der aufgegebenen Hausarbeiten, unserem Lehrer sicher. Das dauert in der Regel aber nicht lange. "Hermann, deine Hausarbeit". "Herr Eggers die sind mir hinter den Schrank gefallen, die konnte ich nicht mitbringen, ich kann den Schrank nicht allein verrücken".  "Du hast mal wieder keine gemacht"! "Doch, doch das müssen sie mir glauben". "Otto, du gehst jetzt mit Hermann nach Hause, rückst mit ihm den Schrank ab. Ich möchte jetzt das Heft sehen!"  So machen wir uns beide auf den Weg um das Heft zu holen. Hermann schweigend neben mir. Erst am Herbrink, hier wohnt Hermann mit Mutter und Vater im Haus des Opas, Da sprudeln die Worte: "Den Schrank können wir stehen lassen das Heft liegt in der Schublade. Steht aber nicht viel drin. Sag bloß nichts meiner Mutter!  Was der Pinocchio immer mit seinen Aufsätzen hat.
(---Pinocchio war der geheime Spitznamen unseres Lehrer. Der erzählte öfters von seiner französischen Gefangenschaft  im 1.Weltkrieg. Am Mittelmeer bei einem Weinbauern musste er arbeiten. Wenn der Mistral von den Bergen die kalte Luft herunter blies bekam er immer Durchfall. Auf Anraten seiner französischen Arbeitskollegen schnitt er eine Wolldecke in Streifen, wickelte seinen Bauch darin ein. Der Mistral-Dünnschiss war gebannt. So seine Geschichte. Das glaubten wir ihm aber nicht so richtig. Da seine Nase mehr spitz als rund, mehr groß als klein ist, war es bis  zum Pinocchio nicht mehr allzu weit. --- )
Was interessiert mich Ludwig der XIV, dieser besessene Minister Colbert mit seinem Merkantilismus. Mein Opa hat mich zu Abwiegen der Kohlen gerufen. Dem musste ich helfen", so schimpft Hermann vor sich hin.  Seine Mama ist total erstaunt als wir  ankommen. "Was wollt ihr denn?" "Habe mein Heft vergessen, will es nur holen." "Bestimmt habt ihr Hunger, ich mache euch erst einmal ein Brot", bestimmt die Mama. Wir sind ja eigentlich mit dem Abrücken des Schranks beschäftigt, haben also genug Zeit zum Frühstücken. Es gibt Rotwurst aus der Dose zu einer Scheibe Brot  Nach dem unverhofften Frühstück trotteln wir wieder zur Schule. Hermann reicht Pinocchio sein Heft. Der setzt ein  leichtes Siegerlächeln auf. "Na, zur Ãœberschrift hat es ja noch gelangt". Weiter kommt er nicht mit seinen Worten. Ab da übernimmt Hermann das Gespräch. Der krabbelt mit seinem blonden Lockenkopf, seinen ehrlichen Augen ein Stückchen näher und flötet: "Herr Eggers ich saß am Tisch und schrieb. Mein Opa brauchte mich zum Kohlen abzuwiegen. Als ich zurück kam um weiter zu schreiben, hatte meine Mama das Heft abgeräumt.   Sie brauchte den Tisch. Ich fand das Heft  nicht. Es konnte nur hinter dem  hinter dem Schrank--". "Hermann, so ganz in Ordnung finde ich das ja nicht, doch ich glaube dir. Setz dich."
  Pinocchios Siegerlächeln steigerte sich noch etwas und wenn ich so recht darüber nachdenke, meine ich, seine Nase wurde noch ein wenig spitzer. Unser Pinocchio war ein weiser Mann, ein gerechter Lehrer. Seine Weisheiten verteilte er leicht verschlüsselt. "Wissen ist wenig. Können ist König", pflegte er hinter einem überlegenden wissenden Lächeln verschmitzt zu flüstern. Nicht alle verstanden dies.
Niemand konnte Hermann böse sein. Ihm, mit der Ausstrahlung eines jugendlichen Charmeurs mit  sanfter Stimme, seines absolut gekonnten höflichen Umgang zum Nächsten. Immer werde ich dich um dieses Können beneiden!  Diesen Schulfreund Hermann machte ich scharf auf den Lenkerschlitten.
Es war für ihn ein Leichtes. "Bring ihn mir nur heile wieder" war der einzige Wermutstropfen des Juniorchefs der Schmiede der uns kurz belastete.
Schnell wurde aus unserer Klasse der Rest der Schlittenbesatzung akquiriert.  Hermann durfte den Lenker steuern. Ich bekam den Platz ganz hinten an den Bremsen. Zwischen uns, zum Anschieben zum Ziehen des Schlitten und für's Gewicht zur Erhöhung der Geschwindigkeit die beiden Schulkameraden. Sorgfältig bereiteten wir unseren Lenker vor. Da wurde geputzt und geschliffen. Mit einem Stück Schweinefett, das immer nach einer Hausschlachtung anfiel, nicht mit verarbeitet wurde, seinen Platz zum Picken für die Vögel in einem Baum im Garten fand, alle Eisenteile eingefettet. Die Schlittenkufen erst mit Sandpapier glatt poliert dann gefettet, ein weiteres Mal poliert, somit zur höchsten Gleitfähigkeit gebracht.  Die Bremshebel überprüft. Dann ging's auf die Piste.

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