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1 die Ilse

Recht hat sie, auch ich kann es nicht so richtig begreifen warum hier so unüberlegt gebaut wurde. Sieht ja alles schön und durchdacht aus, aber--? "Ärgere dich nicht. Denke daran: Die Anderen sind klüger, die verdienen ihr Geld damit"! Wir trotteln weiter auf Veckenstedt zu. Betrachten die hellen Kalksteinbrocken die aus dem Ilselauf herauf blinkern, wie abgewaschene Fremdkörper auf dem Flussgrund liegen. Sind bestimmt beim letzten Hochwasser aus einer Prallwand vom östlichen Ufer rausgebrochen, dann  vom  Fluss mitgenommen und malerisch an Grund verteilt, abgelegt. Ein Läufer mit Hund an der Leine kommt uns entgegen. Springen beide mit freundlichem Gruß an uns vorbei. Vor uns auf dem Weg steht, sein Hinterteil uns zugewandt, ein kleiner schwarzer Dackel. Beim Näherkommen dreht er uns zwar seinen Kopf zu, sonst aber bewegungslos stehenbleibend. Wie kommt der Dackel an die Ilse, ist der Zuhause ausgekniffen, mein Gedanke. Unerwartet taucht erst ein Fotostativ mit angesetzter Kamera auf, dann  dahinter der Träger des Ganzen. "Na, auf Vogeljagd"? Spreche ich ihn an. "Nein, das ist ein Nahobjektiv. Auf Schneeglöckchen bin ich aus. Wenn die so vom Schnee umgeben, ihre Blüten über ihn hinaus recken, bieten sie prächtige Motive. Nur mein Dackel hat keine Lust mehr daran, das Warten setzt ihm zu, ihm wird vom Warten kalt. Ist schon passiert, dass er kommt und meinen sorgfältigen Bildmotivaufbau mit seiner Nase einfach umschubst, sich umdreht und Richtung Heimat dackelt". Ein Gespräch über Dackel und andere selbstbewusste Kleine beginnt. Wir drei quatschen uns bald fest. Erzählen über unsere Wünsche in der Jugend und was dabei rausgekommen ist. Zur See wollte der Fotograf fahren, doch das Regime hatte andere Dinge mit ihm vor und so blieb die See sein Traum. "Gerade habe ich ein Buch gelesen von einem Mann aus der DDR, der auch solche Träume hatte wie sie. Es auch geschafft hat seinen Traum wahr zu machen. Das bringe ich ihnen vorbei, das müssen sie lesen". Der Herr verrät mir seine Adresse, ich verspreche ihm das Seefahrerbuch in den Postkasten zu stecken. Mein Blick wandert wieder zu seiner Kamera, die am Stativ hängend, an eine Haubitze erinnert. Riesiges kurzes dickes Rohr mit gewaltiger Feuerkraft im Nahbereich. "Kennen sie die wilden Tulpen bei Berßel? Die bilden eben mit ihren ausgetriebenen Blättern im Schnee ganz tolle Bilder. Das ist bestimmt auch etwas für sie", locke ich ein wenig und zeige ihm meine Fotos der Tulpenblätter im Schnee von Berßel auf meiner kleinen Lumix. "Sieht ja toll aus, muss ich mir ansehen", seine Reaktion. Mit diesen Worten wendet er sich Wasserleben zu. Sein Dackel hoppelt in Richtung seines Zuhauses in Veckenstedt. Erst sein Zuruf: "Gretchen, hier geht's lang", bringt ihn erst zum Stand, dann ein fragender vorwurfsvoller Hundeblick. "Wir wollen noch zum Teich". Das wirkt. Im gestreckten Lauf saust Gretchen zum Chef zurück.
Das Modelfluggelände liegt verlassen unter einer weißen Decke. An seinem Rand wartet ein Schneemann. Drei Kugeln zusammengerollert, mit Nase und Rute versehen, ist er wohl der letzte Kämpfer der großen Schlacht des Sachsenfürsten Hessi, am Sassberg gegen die Heerscharen von Karl dem Großen. Bald macht die Sonne auch ihn vergessen. Hinter dem kleinen Fall der Ilse, da wo der Mühlgraben, der später zum Ochsenbach wird, zur vergangenen Mühle von Schauen abzweigt, hinter der Furt, der Fußgängerbrücke, sind die Ufer gesäubert. Bäume umgesägt, Büsche entfernt, die Gräser gemäht. Eigenartig diese Tätigkeit in der naturbelassenen Ilseaue. Die Fahrzeuge und Maschinen der Umgestalter haben tiefe, nun mit Schneematsch und Wasser gefüllte Fahrspuren zurück gelassen; den schönen idyllischen Wiesenweg unter den Kirsch- und Apfelbäumen kurz vor Veckenstedt in eine Wasserrinnen-Teichlandschaft verwandelt. Unser Wanderung gleitet übergangslos zu einem weniger lustigen Springen von einem hoch gequetschten Grasstreifen zum Nächsten über, wobei die Hosenbeine nicht nur feucht, sondern zum Schluss auch noch ordentlich ausgesaut werden! Die Ilse, die uns das kurze Stück zum Auto noch einmal begleitet,  nimmt das alles gelassen. Ihr leises Geplätscher zeigt noch kein Aufbrausen. Noch taut es nicht auf den Bergen. Die darüber langsam hinziehende Schafherde hat sich zu einem langgezogenen flockigen Wolkenstreifen verwandelt. Schleierwolken dämpfen das Licht der Sonne.

Otto Pake

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