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1 Furchtlos

Mit "Reitweg" ist er ausgeschildert. Der ist mir lieber als der von Holzerntemaschienen zerfahrene R1. Die vor mir dackelnde Tante bin ich somit auch los. Es wird schwierig auf dem "Reitweg". Tiefe wassergefüllte Hufabdrücke, hohes über die Knie reichendes feuchtes Gras. Meinen langen Stecken kann ich gut gebrauchen. Er bleibt oft die letzte Rettungstütze vor einem Abrutsch in die wasserblinkenden Pferdetritte. Die Aussichten die der "Reitweg" zum Ort, zu den Harzer Bergen bietet, bleiben im Gehen ungenutzt. Alle Konzentration ist auf die zu machenden Schritte gerichtet. 1,5km die es in sich haben. Bin froh als ich den Fahrweg vor den Schrebergärten erreiche. Betrachte den durchrauschenden Triebwagen nach Seesen und weiter, einen mit dem feuchten Boden kämpfenden Rübenernter und die von rechts (R1) kommende, immer noch in ihr Handy quasselnde Tante mit ihrem nun wieder frei laufenden schwarz-weißem Hunde, die vor mir die ersten Häuser von Hahausen erreicht. Schnur gerade verläuft der R1 durch Hahausen.  Die ins Handy quasselnde Tante ist verschwunden. Ein gelbes Postauto, ein ganz neues mit Elektroantrieb und Kasten als Aufbau wechselt von Straßenseite zu Straßenseite. Die Postbotin hat es eilig. Rennt in der linken Hand die Briefe in der rechten Hand den Autoschlüssel vom Postauto zum Briefkasten. Immer wieder, immer wieder. Ein stressiger Job! Ein paar Schüler kommen mir entgegen, der Schulbus hat sie ausgeladen. Alle grüßen freundlich beim Begegnen. Ist so als ob ich jeden Tag hier entlang laufe. Von dem Kupferabbau in Hahausen habe ich noch nie gehört. Eine Informationstafel an der "Hütte" klärt mich auf. Der Kupfergang zu unergiebig und schon vorbei der Traum vom schnellem Geld. In Neuekrug einem Ortsteil von Hahausen wird die B248 gequert. Der R1 verläuft jetzt auf der alten B6. Da wird es mit dem Wandern traurig. 9km auf Basaltkopfsteinpflaster mit Asphalt-Ausflickteppichen. Links nach Norden die weite Fläche des Lutterer Beckens zwischen Osterkopf und Radberg, dem weit im Norden in Regenschauern versteckten Hainberg. Rechts gibt der Laubwald des Bakenberg die natürliche Straßengrenze. Ein Holztransporter kommt, kann sich nicht gleich entscheiden welchen Buchenpolder er verladen soll. Alles kein Problem wenn man nicht gerade im Funkloch steckt. Wenn es so ist, ein paar Meter weiter klappt es bestimmt. Ein einsamer entgegenkommender Radfahrer grüßt mit: "Glück auf". Ansonsten drösele ich, mich ab und an umsehend ob das nächste Regenschauer an mir vorbei zieht, oder mich mit einem feuchten Guss überzieht. Die Türme von Lutter am Barenberg verschwinden im Regenschleier, ich bleibe trocken. Plötzlich, kurz vor dem Weiler "Im Kiefholz", wird es laut und eng. Eine Rinderherde bricht aus dem Wald, drängelt sich auf die Straße, kommt mir entgegen. Eine junge Frau dirigiert die gehörnten dicht gedrängten Tiere mit zwei langen Stecken in den Händen und lauter bestimmender Stimme. Die Tiere sind schnell, wollen vorbei an Stecken und Hüterin. Doch sie dirigiert gekonnt mit kleinen Stupsern den Vorwärtsdrang ihrer Herde. Ich bleibe stehen, trete zur Seite, betrachte die auf mich zukommenden hin und her schaukelnden, mit ausladenden Hörnern bestückten, Rinderköpfe. Unbehagen zieht mir über den Rücken. Greife meinen Stecken fester. Besonders die große Graue drängt immer zu mir rüber, wiegt ihren Kopf mit den ausladenden Hörnern gefährlich von links nach rechts. "Schau mir in die Augen Kleine" huscht es durch meinen Kopf. Sanfte Augen betrachten mich, im Stillstand am Straßenrand stehenden Ängstlichen. Die Graue ist freundlich, wechselt zur anderen Seite, drängelt sich an die Spitze der Herde und die schwenkt wie auf Kommando, auch zur Seite, folgt ihr in lockerer Dreierreihe. Locker halte ich nun meinen Wanderstab in der Hand, betrachte die Vorüberziehenden. Die in der Mitte laufenden Kälbchen, die hinterher wackelnden Großen, den Herrn in dunkler Joppe der den Abschluss bildet. "Ist ja ein richtiger Almabtrieb" rufe ich ihm zu. "Kein Futter mehr auf der Wiese, es geht heim". Wohin"? "Bis kurz vor Nauen". "Das ist ja richtig weit"! Ein Schulterzucken dient als Antwort. Vorbei ist der Heimmarsch der Herde, nur etwas Geklacker ihrer Hufe treibt der Wind zurück. Wieder zieht ein Regenschauer  an mir vorbei. Hüllt den Radberg ins graue Nass. Wieder bleibe ich trocken.

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